Die Versagung der Restschuldbefreiung


Das Ziel eines jeden Insolvenzverfahrens einer natürlichen Person, die Restschuldbefreiung, scheitert, wenn es zur rechtskräftigen Versagung der Restschuldbefreiung kommt.
Die Restschuldbefreiung wird für Verfahren, die ab dem 01.10.2020 beantragt wurden, nach Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochen. Der Schuldner wird hierbei von allen Verbindlichkeiten befreit, die vor der Insolvenzeröffnung bereits begründet waren. Es gibt ein paar wenige Ausnahmen von Verbindlichkeiten, die nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden, hierauf soll an dieser Stelle aber nicht eingegangen werden.
Kommt es also zur Versagung der Restschuldbefreiung, leben alle Verbindlichkeiten wieder auf und die Gläubiger können diese wieder unmittelbar und direkt gegen den betroffenen Schuldner geltend machen. Erschwerend kommt hinzu, dass eine rechtskräftige Versagung der Restschuldbefreiung Sperrfristen von drei oder gar fünf Jahren für die Zulässigkeit der Beantragung eines erneuten Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahrens auslöst. Es ist also zu prognostizieren, dass der betroffene Schuldner nach Versagung der Restschuldbefreiung (wieder) jahrelang mit Zahlungsaufforderungen, Zwangsvollstreckungen und Pfändungen konfrontiert sein wird. Die Versagung stellt somit ohne Frage ein Super-GAU für den Schuldner dar, der sich mit der Inanspruchnahme des Insolvenzverfahrens einen wirtschaftlichen Neuanfang erhofft hatte und sich von der Umklammerung der Gläubiger und allen daran beteiligten Protagonisten (Inkassounternehmen, Inkassorechtsanwälte, Gerichtsvollzieher etc.) endgültig lösen wollte.
Dem Betroffenen, der sich für die Inanspruchnahme ein Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahren interessiert, ist somit dringend zu raten, sich rechtzeitig mit den möglichen Versagungsgründen zu befassen, so dass er durch sein eigenes Verhalten den Eintritt eines Versagungsgrundes verhindern kann. Hierzu sollen die nachfolgenden Ausführungen eine Hilfestellung bieten.

Versagungsgrund: Die nicht geleistete Mindestvergütung des Treuhänders

Soweit der Schuldner über kein ausreichendes pfändbares Einkommen verfügt, ist er gehalten, einmal jährlich eine Mindestvergütung an den Treuhänder (vormals Insolvenzverwalter) zu bezahlen. Diese beläuft sich in der Regel auf 119.- €. Die Mindestvergütung ist nicht automatisch fällig, sondern erst auf entsprechende Anforderung des Treuhänders hin. Erfolgt keine Zahlung, kann der Treuhänder beim Insolvenzgericht beantragen, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt wird. Vor der Entscheidung muss das Gericht den Schuldner anhören und ihn in diesem Zusammenhang ebenfalls auffordern, die Mindestvergütung binnen zwei Wochen zu bezahlen oder einen Antrag auf Kostenstundung vorzulegen.
Meiner Erfahrung nach tritt dieser Versagungsgrund - neben der unterbliebenen Mitteilung einer neuen Anschrift - mit Abstand am häufigsten auf, was sehr schade ist, da es relativ einfach ist, die (überschaubare) Vergütung an den Treuhänder zu entrichten oder diesbezüglich zumindest eine Teilzahlungsvereinbarung mit diesem zu treffen. Des Weiteren besteht alternativ die Möglichkeit, beim Insolvenzgericht Kostenstundung zu beantragen. Werden die Zahlungsaufforderungen des Treuhänders aber ignoriert, kann es in letzter Konsequenz zur (absolut unnötigen) Versagung der Restschuldbefreiung kommen.

Versagungsgrund: Verletzung der Erwerbsobliegenheit

Der Schuldner ist gehalten, ab Insolvenzeröffnung bis zum Ablauf der Abtretungsfrist eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.
Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter, dem Gesundheitszustand und der sonstigen Lebenssituation des Schuldners entspricht. In der Regel ist eine Vollzeittätigkeit erforderlich, um dieser Obliegenheit nachzukommen.
Ein Verstoss gegen die Erwerbsobliegenheit kann auch vorliegen, wenn der Schuldner eine ungünstige Steuerklasse wählt und sein Nettolohn hierdurch reduziert.
Ist der Schuldner erwerbslos oder verliert er während des Verfahrens den Arbeitsplatz, muss er sich mit Nachdruck um eine neue Erwerbstätigkeit bemühen. Bei Vorhandensein entsprechender Arbeitsplatzangebote können mehrere Bewerbungen pro Woche (!) vom Schuldner abverlangt werden.

Versagungsgrund: Unrichtige und / oder unvollständige Angaben im Insolvenzantrag

Im Rahmen des Insolvenzantrags sind zahlreiche Formblätter und Anlagen auszufüllen. Macht der Schuldner bei bestimmten Verzeichnissen unrichtige und / oder unvollständige Angaben und geschieht dies grob fahrlässig oder gar vorsätzlich, kann ihm auf entsprechenden Antrag eines Gläubigers die Restschuldbefreiung versagt werden. Für diesen Obliegenheitsverstoss ist nicht erforderlich, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wird.
Als Beispiel können hierzu folgende Fälle genannt werden: Nichtangabe einer geringfügigen Nebenbeschäftigung, Weglassen eines Gläubigers, Verschweigen einer bereits früher erteilten Restschuldbefreiung oder Versagung derselben.

Versagungsgrund: Verletzung der Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten

Aus der Insolvenzordnung ergeben sich zahlreiche Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners. Im Kern hat er über alles Auskunft zu erteilen, was für das Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahren von Bedeutung ist.
In der Praxis sind folgende Pflichtverstöße am häufigsten anzutreffen: Nichtangabe eines (neuen) Arbeitsverhältnisses und Nichtangabe eines Wohnungswechsels. Voraussetzung für eine Versagung ist auch hier, dass man dem Schuldner Vorsatz bzw. zumindest grobe Fahrlässigkeit vorwerfen kann.

Versagungsgrund: Unangemessene Verbindlichkeiten und Vermögensverschwendung

Die Restschuldbefreiung kann versagt werden, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Insolvenzantrag unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet hat. In beiden Fällen muss es durch das Verhalten des Schuldner zu eine Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger gekommen sein.
Unter einer Vermögensverschwendung sind Luxusaufwendungen zu verstehen, die völlig außer Verhältnis zu der persönlichen und wirtschaftlichen Lebenssituation des Schuldners stehen. Als Beispiel kann die Fortsetzung eines unangemessen teuren Mietverhältnisses oder die anlasslose Verschenkung von Vermögenswerten genannt werden. Eine unangemessene Verbindlichkeit liegt vor, wenn der Schuldner diese entgegen der wirtschaftlichen Vernunft eingegangen ist. Auch bei diesen Versagungsgründen ist maßgeblich, ob dem Schuldner Vorsatz bzw. zumindest grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.

Versagungsgrund: Verzögerung der Insolvenzantragsstellung

Entgegen dem Wortlaut der hier maßgeblichen Vorschrift (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 letzte Alt. InsO) besteht für den Schuldner als natürliche Person keine Insolvenzantragspflicht, wie sie z. B. den Geschäftsführer einer GmbH trifft.
Eine Verzögerung der Verfahrenseröffnung liegt erst vor, wenn der Schuldner die Gläubiger über seine Verhältnisse getäuscht hat und diese von einer Antragstellung abgehalten wurden (Anmerkung: Auch ein Gläubiger kann beantragen, dass über das Vermögen eines Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird, sog. Drittantrag i.S.d. § 14 InsO). Die verzögerte Antragstellung stellt für sich alleine also noch keine Obliegenheitsverletzung dar.

Versagungsgrund: Kredit- und Leistungserschleichung

Die Versagung der Restschuldbefreiung kommt in Betracht, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Insolvenzantrag oder danach vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftliche unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Kassen zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.
Beispiele: Unrichtige Angaben bei der Beantragung eines Bankkredits, Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen – nicht aber das Fehlen einer – Steuererklärung, falsche Angaben zu einem Nebeneinkommen.

Versagungsgrund: Insolvenzstraftat

Wurde der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Insolvenzantrag (oder danach) wegen einer sog. Insolvenzstraftat rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt, kann ihm auf entsprechenden Antrag eines Gläubigers die Restschuldbefreiung versagt werden.
Die Insolvenzstraftaten sind in den §§ 283 bis 283c StGB normiert (Bankrott, Verletzung der Buchführungspflicht, Gläubigerbegünstigung, Schuldnerbegünstigung).

Versagungsgrund: Unterbliebene Herausgabe von Erbschaft, Schenkung oder Spielgewinn

Im Rahmen der Restschuldbefreiungsphase (= Zeitraum zwischen Aufhebung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist) besteht für den Schuldner die Obliegenheit, eine Erbschaft oder eine Schenkung, jeweils zum maximal hälftigen Wert, an den Insolvenzverwalter bzw. den Treuhänder herauszugeben. Zum vollen Wert ist ein Spielgewinn (z. B. Lotterie) herauszugeben, wobei es sowohl bei der Schenkung als auch beim Spielgewinn Freibeträge gibt. Werden die genannten Vermögenspositionen nicht an den Insolvenzverwalter / Treuhänder herausgegeben, droht die Versagung der Restschuldbefreiung.

Versagungsgrund: Gläubigerungleichbehandlung

Dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung folgend, ist der Schuldner gehalten, Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen.
Eine Versagung der Restschuldbefreiung kommt auch hier nur in Betracht, wenn die Befriedigung der (sonstigen) Insolvenzgläubiger durch die Zahlung bzw. den eingeräumten Sondervorteil beeinträchtigt wurde. Hieraus folgt, dass das Verhalten des Schuldners nur sanktioniert werden kann, wenn die Zahlung / der Sondervorteil aus seinem pfändbaren Vermögen erfolgt ist, da die Insolvenzgläubiger an dieser Vermögensposition ansonsten ohnehin nicht partizipiert hätten.

Der Widerruf der Restschuldbefreiung

Wurde die Restschuldbefreiung bereits erteilt, kann diese widerrufen werden, wenn

  • sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheiten vorsätzlich verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat,
  • sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner während der Abtretungsfrist wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt worden ist, oder wenn der Schuldner erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung wegen einer bis zum Ende der Abtretungsfrist begangenen Insolvenzstraftat verurteilt wird
oder

  • der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, die ihm nach diesem Gesetz während des Insolvenzverfahrens obliegen.

Der Antrag eines Gläubigers auf Widerruf der Restschuldbefreiung ist nur innerhalb eines Jahres nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung möglich.

Fazit:

Der Katalog von möglichen Versagungsgründen ist recht umfangreich. Da die Versagungsmöglichkeiten natürlich auch den Gläubigern nicht verborgen bleiben, ist jedem Betroffenen, der die Inanspruchnahme eines Insolvenzverfahrens in Betracht zieht, dringend zu empfehlen, sich rechtzeitig und detailliert mit den bestehenden Obliegenheiten zu beschäftigen und im Zweifel kundigen Rechtsrat einzuholen. Dies gilt natürlich gleichermaßen bei einem schon laufenden Insolvenzverfahren. Die eine oder andere Obliegenheit kann nachgeholt und so ein bereits vorliegender Versagungsgrund korrigiert werden.
Wird man bereits mit einem Versagungsantrag eines Gläubigers konfrontiert, sollte man keinesfalls den Kopf in den Sand stecken. Auch im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen gerichtlichen Anhörung des Schuldners zum Versagungsantrag kann das Fehlverhalten gegebenenfalls korrigiert oder der Sachverhalt richtig gestellt werden. Dies gilt auch, wenn bereits ein Versagungsbeschluss vorliegt und insoweit noch die Möglichkeit eines Rechtsmittels besteht. Liegt ein Versagungsantrag oder gar bereits ein Versagungsbeschluss vor, sollte man umgehend fachliche Hilfe hinzuziehen, um seine Rechte zu wahren und die Restschuldbefreiung (hoffentlich) doch noch zu erreichen.
Entsprechendes gilt im Falle eines im Raum stehenden Widerrufs der Restschuldbefreiung.

Hinweis: Der vorstehenden Ausführungen wurden nach bestem Wissen und mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt. Gleichwohl wird für Inhalt, Richtigkeit und Vollständigkeit keine Gewähr übernommen. Die Rechtslage kann sich zwischenzeitlich geändert haben. Verbindliche und belastbare Auskünfte können nur nach Vereinbarung eines entsprechenden Mandats sowie nach eingehender Betrachtung des Einzelfalles erfolgen.