Reform 2020 – neue Regelungen für den
Selbständigen im Insolvenzverfahren


Kernpunkt der Reform des Insolvenzrechts, die zum Jahreswechsel 2020 / 2021 in Kraft getreten ist, ist natürlich die Verkürzung des Verfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung auf nur noch drei Jahre. Unabhängig hiervon wurden im Zuge der Reform jedoch weitere Regelungen in die Insolvenzordnung aufgenommen, die sich an den selbständig tätigen Insolvenzschuldner richten. Die wichtigsten diesbezüglichen Änderungen stellen sich wie folgt dar.


§ 35 Abs. 2 und Abs. 3 InsO


Übt der Schuldner eine selbständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, eine solche demnächst auszuüben, ist der Insolvenzverwalter gehalten, ihm gegenüber zu erklären, ob er diese Tätigkeit aus der Insolvenzmasse freigibt.
Die Freigabe hat zur Folge, dass der Schuldner die selbständige Tätigkeit ab diesem Zeitpunkt auf eigene Rechnung fortsetzen kann, wohingegen die Verbindlichkeiten, die vor der Insolvenzeröffnung vorhanden waren, beim Insolvenzverfahren verbleiben, also nicht mehr gegen den Schuldner selbst geltend gemacht werden können. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Schuldner ab dem Zeitpunkt der Freigabe mit seinem Gewerbe losgelöst von diesen Verbindlichkeiten neu durchstarten kann.
Neu ist in diesem Zusammenhang, dass dem Schuldner ein Anspruch auf die Entscheidung des Insolvenzverwalters zusteht, ob die Freigabe erfolgt oder nicht. Erbittet der Schuldner den Insolvenzverwalter um diese Entscheidung, ist dieser verpflichtet, sich unverzüglich, spätestens jedoch nach einem Monat zu erklären.
§ 295a InsO
Erfolgt die Freigabe der selbständigen Tätigkeit, obliegt es dem Schuldner, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Insolvenzverwalter (Treuhänder) so zu stellen, als wäre er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen.
Es stellt sich also zunächst die Frage, welches Gehalt der Schuldner unter Berücksichtigung seiner Berufsausbildung und seiner bisherigen beruflichen Erfahrung im Rahmen eines abhängigen Arbeitsverhältnisses theoretisch erzielen könnte. Sodann ist anhand der gesetzlichen Pfändungstabelle unter Berücksichtigung etwaiger Unterhaltsverpflichtungen zu ermitteln, ob und in welcher Höhe pfändbares Einkommen vorliegen würde. Es obliegt dem selbständigen Schuldner diesen Betrag an den Insolvenzverwalter abzugeben.
Ein Beispiel hierzu:
Ein selbständiger Fliesenleger beantragt die Insolvenz. Unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärt der Insolvenzverwalter die Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Der Fliesenleger ist verheiratet und hat ein Kind. Unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und Berufserfahrung könnte er als angestellter Fliesenleger 2.200.- € netto verdienen. Aus der gesetzlichen Pfändungstabelle ergibt sich bei diesem Nettoeinkommen ein pfändbarer Betrag iHv 132,29 €. Der auch während des Insolvenzverfahrens selbständige Fliesenleger ist also gehalten, monatlich 132,29 € an den Insolvenzverwalter abzugeben, um die Obliegenheit des § 295a Abs. 1 InsO (bzw. § 295 Abs. 2 InsO) zu erfüllen.
Neu ist, dass die vorgenannte Zahlung des theoretisch pfändbaren Einkommens zum 31.01. des Folgejahres an den Insolvenzverwalter zu leisten ist. Eine fortlaufende monatliche Zahlung ist also nicht erforderlich, auch wenn diese Vorgehensweise auf jeden Fall zu empfehlen ist.
Neu ist des Weiteren, dass der Schuldner den an den Insolvenzverwalter abzuführenden Betrag gerichtlich verbindlich feststellen lassen kann. Insoweit muss er aber glaubhaft machen, welches Einkommen er theoretisch erzielen könnte. Der Insolvenzverwalter (Treuhänder) und die Insolvenzgläubiger werden hierzu angehört.
Hinweis: Die vorstehenden Ausführungen wurde nach bestem Wissen und mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt. Gleichwohl wird für Inhalt, Richtigkeit und Vollständigkeit keine Gewähr übernommen. Verbindliche und belastbare Auskünfte können nur nach eingehender Betrachtung des Einzelfalles und nach Erteilung eines entsprechenden Mandats erteilt werden. Ich danke für Ihr Verständnis.